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Bücher von Astrid Lindgren

Text: Jörg Bohn / VG Wort Wissenschaft -  Erstveröffentlichung im Sammlermagazin TRÖDLER, Heft 4/2007

Im Jahr 2007 jährt sich zum 100. Mal der Geburtstag der viel gelesenen und auch heute noch überaus populären schwedischen Schriftstellerin.
„So originell, phantasie- und humorvoll, so frisch und einfallsreich es auch ist, so ist es als Kinderbuch doch nur bedingt zu verwenden. Weniger weil man fürchten müsste, dass die Kinder in allem ihre ganz und gar nicht brave Heldin nachahmen könnten, sondern vor allem, weil Wirklichkeit und Phantasie so sehr miteinander verquickt sind, dass dem Kind die Unterscheidung schwer fallen muss“, argwöhnt eine zeitgenössischer Rezension, als 1949 erstmals eine deutsche Übersetzung von Astrid Lindgrens bereits fünf Jahre zuvor in Schweden veröffentlichtem Kinderbuch Pippi Langstrumpf in den Regalen der hiesigen Buchhändler zu finden ist. Im Gegensatz zu den zwiespältigen Reaktionen der Kritiker jedoch stoßen die Geschichten um das außerordentliche Mädchen mit den abstehenden roten Zöpfen bei ihrer kindlichen Zielgruppe auf nahezu uneingeschränkte Gegenliebe und entwickeln sich für Autorin und Verlag zu einem immensen Verkaufserfolg. Darüber hinaus avanciert Lindgrens Protagonistin in den nachfolgenden Jahren und Jahrzehnten zu einer regelrechten Kultfigur, die bis heute kaum etwas von ihrer offensichtlich zeitlosen Originalität eingebüßt hat. Wenn auch vielerorts mehr oder weniger darauf reduziert, besteht das Werk Lindgrens aber mitnichten nur aus den Bänden um Pippi Langstrumpf. Davon, dass nicht nur ein Großteil ihrer Bücher heute noch überaus lesenswert ist, sondern darüber hinaus viele der nahezu weltweit verbreiteten Ausgaben ihres Werks sich als überaus sammelnswert erweisen, soll in diesem und insbesondere auch im noch folgenden Text die Rede sein.

 
Die Geschichten Lindgrens geben das wieder, was sie als Kind „erlebt und in ihrer Erinnerung festgehalten hat“, fasst ihre Biografin Sybil Gräfin Schönfeld zusammen. Dies „ist ihr poetisches Material, nicht mehr und nicht weniger, und es wird immer wieder verwendet werden, in Märchen, in realistischen Kinderromanen und in jenen Geschichten, die gleichermaßen in der Wirklichkeit und im Traume spielen.“ Bilder und Geschehnisse ihrer Kindheit hat sie „mit einer beispiellosen Intensität aufgenommen und später mit einer ebenso beispiellosen Klarheit, Lebendigkeit und Einfachheit in Literatur umgesetzt, mit einer Einfachheit, die Leser ebenso entzücken wie reizen und provozieren wird.“
Geboren wird Astrid Lindgren am 14. November 1907 in Näs bei Vimmerby als zweites von vier Kindern des Landwirts Samuel August Ericsson und dessen Frau Hanna. In ihrem autobiographischen Buch „Das entschwundene Land“ erinnert sie sich später an glückliche Jahre im Kreis der Familie: „Zweierlei hatten wir, das unsere Kindheit zu dem gemacht hat, was sie gewesen ist – Geborgenheit und Freiheit. Wir fühlten uns geborgen bei diesen Eltern, die einander so zugetan waren und stets Zeit für uns hatten …uns im Übrigen aber frei und unbeschwert herumtollen ließen.“ Besonders viel bedeuten ihr die Momente, in denen ihr die Tochter eines Stallknechts in der heimischen Küche Geschichten vorliest und damit den Grundstein zu einer lebenslangen Bücherliebe legt. „Sie versetzte meine Kinderseele dadurch in Schwingungen, die bis heute noch nicht ganz abgeklungen sind.“ Aufgewachsen im „Pferdezeitalter“, noch ohne landwirtschaftliche Tätigkeiten erleichternde Maschinen, ist den Ericsson-Geschwistern jedoch auch Arbeit keineswegs fremd. „Freiheit zu haben hieß aber keineswegs, ständig frei zu haben. Dass wir zur Arbeit angehalten wurden, war die natürlichste Sache der Welt“ und wurde von der Autorin auch im Erwachsenenalter noch positiv bewertet:“ Was einem aufgetragen war, das hatte man zu tun. Ich glaube, es war eine nützliche Lehre, die einem später im Leben half, auch mit eintöniger Arbeit ohne allzu viel Gestöhne und Gejammer fertig zu werden.“
Die Bewältigung der schulischen Anforderungen fällt dem wissenshungrigen Kind leicht und schließlich besucht es sogar eine „höhere Schule“, was für ein Bauernkind zu dieser Zeit noch eine seltene Ausnahme ist. Obwohl die Schülerin sehr gute Aufsätze verfasst, liegen ihr weitergehende schriftstellerische Ambitionen fern. Im Gegenteil reagiert sie sogar trotzig auf Anspielungen, sie müsse später einmal Dichterin werden. „Dieses Gerede festigte in mir nur den Entschluss, niemals Bücher zu schreiben.“ Die literarischen Erzeugnisse anderer hingegen nimmt sie begierig in sich auf. Nachdem es bis dahin für die Heranwachsende schwierig bis unmöglich war, überhaupt an genügend Lesestoff heranzukommen, empfindet die junge Astrid Ericsson nun die Bestände der Schulbibliothek als regelrechte Offenbarung. Sie verschlingt vom schlichten Mädchenbuch bis hin zu den Romanen von Verne, Twain und Scott nahezu alles, was sie in die Finger bekommt und räumt dem Lesen einen beständig größer werdenden Platz in ihrem Leben ein. Die Elektrifizierung des Elternhauses ermöglicht es ihr, sich nach Einbruch der Dunkelheit auch im Lampenschein mit den geliebten Büchern zu beschäftigen und so beruht es sicherlich auf eigenen Erfahrungen, wenn sie Jahrzehnte später eine ihrer Romanfiguren ausrufen lässt: „Es ist eine Unsitte, nachts im Bett zu lesen, aber herrlich!“
Im Alter von 16 Jahren beendet sie die Schule erfolgreich, hat jedoch keine konkreten Ziele und ist noch auf der Suche nach ihrem Platz im Leben. Die Pubertät bereitet dem Teenager zusätzliche Probleme: „Ich merkte, dass ich erwachsen wurde, und das wollte ich nicht sein.“ Zudem plagen sie alterstypische Selbstzweifel: „Ich fühlte mich sehr unsicher. Ich fand, das ich hässlich sei, und ich war völlig überzeugt davon, dass niemals irgendjemand sich in mich verlieben könnte.“ Doch die Bedenken zerstreuen sich recht schnell. Die Autorin schildert dies im Rückblick mit dem für sie so typischen und in vielen Interviews bewiesenen trockenen und selbstironischen Humor. „Als ich ungefähr siebzehn Jahre alt war, zeigte es sich, dass es nicht ganz so unmöglich war, wie ich geglaubt hatte…Ich hatte nur noch ein einziges Interesse, nämlich zu versuchen, dass sich möglichst viele in mich verlieben sollten Ach, ach, ach, das war eine Plagerei, das kann ich sagen.“  (Quelle: rororo Bildmonographien Astrid Lindgren).
Im Verlauf des nächsten halben Jahres erlernt sie von ihrer Mutter die Haushaltsführung und kommt danach mehr durch Zufall denn durch Eigeninitiative an ein Volontariat bei der Lokalzeitung ihres Heimatortes Vimmerby. Obwohl es ihr in der Folgezeit gelingt, das vorhandene natürliche Schreibtalent durch die journalistische Schulung stetig zu verbessern, spürt sie immer noch kein Verlangen, darüber hinaus etwas zu Papier zu bringen.
Zwar gefällt ihr die Arbeit bei der Zeitung, doch die mittlerweile Neunzehnjährige erkennt, dass es für ihre weitere persönliche Entwicklung wichtig ist, den familiären Dunstkreis zumindest räumlich zu verlassen. Also fährt sie 1926 nach Stockholm und beginnt dort eine Ausbildung zur Sekretärin, sodass auch in diesem Zusammenhang das Zitat einer ihrer späteren Romanheldinnen durchaus einen autobiographischen Anstrich bekommt: „Aber zuerst will ich etwas lernen…Etwas Richtiges können, und ich will versuchen, ein richtiger Mensch zu werden, der in sich selbst einigen Wert besitzt und ihn nicht erst als Anhängsel eines Mannes bekommt. Ich werde mir einen Beruf erarbeiten.“
Das Leben in der Großstadt ist für das wohlbehütete „Landei“ ungewohnt und zu Beginn alles andere als leicht. Hinzu kommt, dass Astrid Ericsson noch im selben Jahr schwanger wird und im Dezember ihren Sohn Lars zur Welt bringt, über dessen Vater sie Zeit ihres Lebens nie Näheres verlauten lassen wird. Doch da eine Rückkehr zu den Eltern nicht mehr in Frage kommt, gibt sie das Kind vorerst in eine Pflegefamilie, um eine Stellung als Sekretärin antreten zu können. In der Radioverkaufsabteilung der Svenska Bokhandelscentalen wird sie,  kuriose Randnotiz, Nachfolgerin von Zarah Leander, die in der Folge als Schauspielerin und Sängerin zu Weltruhm gelangt. Von letzterem ist die Berufsanfängerin zu dieser Zeit jedoch noch Lichtjahre entfernt. „Mehrere Jahre arbeitete ich sehr viel, aß sehr wenig und begann gleichzeitig zu denken. Ich begann zu erkennen, dass die Welt gar nicht so war, wie sie sein sollte. Ganz im Gegenteil. Beinahe alles war falsch, und die Menschen waren unglücklich.“ Trost und Ansprache verschafft ihr zu dieser Zeit die Wohngemeinschaft mit einer jungen Frau, die ganz ähnliche Lebensängste mit sich herumschleppt. „Wir zwei lösten zusammen Weltprobleme und kamen zu dem Entschluss, dass man eigentlich nicht leben könne. Fast jeden Tag nahmen wir uns auch vor, uns das Leben zu nehmen. Aber wir verschoben dies immer wieder auf den nächsten Tag.“  (Strömstedt: Astrid Lindgren).
1928 kann sie sich beruflich verbessern und findet auch privat ihr Glück. Sie nimmt eine Stellung bei einem Automobilclub an und lernt dort ihren zukünftigen Mann Sture Lindgren kennen. Drei Jahre später heiratet das Paar und zieht in eine größere Wohnung, die auch genügend Platz für Lindgrens zwischenzeitlich bei ihren Eltern untergebrachten Sohn bietet. In den folgenden Jahren ist sie Hausfrau und Mutter, erledigt kleinere Aufträge für den Automobilclub und verfasst darüber hinaus eigene Texte: „Wenn ich knapp bei Kasse war, geschah es schon, dass ich das eine oder andere kleine närrische Märchen aufschrieb und an eine Wochenzeitung verkaufte, aber im Großen und Ganzen blieb ich meinem Vorsatz, keine Dichterin zu werden, treu.“  Weitere drei Jahre später schließlich komplettiert Tochter Karin die kleine Familie. Da ihr Mann inzwischen recht gut verdient, kann sich die zweifache Mutter nun gänzlich den hausfraulichen Pflichten widmen. Dies tut sie nicht ungern, zumal sie die damals noch unumstößliche Rollenverteilung der Geschlechter für durchaus sinnvoll erachtet. „Eine Frau hat das Recht, einen eigenen Beruf zu haben, selbstständig zu sein und Geld zu verdienen, aber wenn sie Kinder bekommt, so sollte sie diese so lieben, dass sie mit ihnen zumindest die ersten Jahre verbringt. Sie sollte nicht denken: was für eine Schande, dass ich jetzt an die Kinder gebunden bin!“ (im Gespräch mit Sybil Gräfin Schönfeldt). Während ihr Mann also ins Büro geht, kümmert sie sich um den Nachwuchs, spielt mit den Kindern und erzählt ihnen selbst erfundene Geschichten.
„Damals schrieb ich nicht. Ich hatte nicht einmal die Absicht, Bücher zu schreiben. Überhaupt nicht.“
Als ihre Kinder 1937 „aus dem Gröbsten heraus“ sind, sucht sich Astrid Lindgren erneut eine Stellung und arbeitet fortan für den Kriminologen Harry Södermann. Hat sie bis dahin die Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland und den Beginn des Zweiten Weltkriegs vornehmlich aus der Zeitung verfolgt, kommen die Geschehnisse nun näher an sie heran, weil ein Bekannter ihres neuen Arbeitgebers um das Leben seiner verschleppten Angehörigen bangt. Unter diesem Eindruck beginnt Lindgren, die Ereignisse um sie herum schriftlich festzuhalten. „Ich fing an, Tagebuch zu führen, um meine Erinnerung auf dem Laufenden zu halten und mir ein Gesamtbild zu machen, was draußen in der Welt geschah und welche Auswirkungen das auf uns hatte.“
Noch tiefere Einblicke erhält sie, als sie ab 1940 für den Schwedischen Nachrichtendienst Briefe zensiert. „Solange man nur in den Zeitungen über Krieg liest, glaubt man nicht so recht daran. Aber wenn die Briefe erzählen…dann wird er plötzlich grausame Wahrheit.“
Ihr persönlich geht es jedoch gut, Ehemann Sture klettert die Karriereleiter empor und die Familie kann sich dadurch eine größere Wohnung in der Stockholmer Dalagatan leisten, welche die Schriftstellerin bis zu ihrem Lebensende bewohnen wird.
Im Herbst des folgenden Jahres ereignet sich dann eine Begebenheit, die Lindgrens weiteren Werdegang maßgeblich beeinflussen soll und die sie im Laufe ihres Lebens bis zum spürbaren Überdruss immer und immer wieder preisgeben muss: „Wie die Pippifigur ursprünglich entstanden ist, habe ich so oft erzählt, weil ich so oft danach gefragt worden bin. Es hier noch einmal zu tun, kommt mir zwar dumm vor, aber trotzdem. 1941 lag meine Tochter Karin krank im Bett, und eines Tages sagte sie: „Erzähl mir was von Pippi Langstrumpf.“ Es war ein Name, der ihr gerade in diesem Augenblick durch ihren fieberheißen Kopf geschossen war. Ich…dachte mir eine närrische Range aus, die zu dem Namen passen konnte, und ich musste bald entdecken, dass uns eine Pippi ins Haus geschneit war, die wir nicht wieder loswerden konnten.“ (Lindgren: Das entschwundene Land).
Die Geschichten um die unkonventionelle rothaarige Rebellin finden bei anderen Kindern ebenfalls großen Anklang, doch um niedergeschrieben zu werden, bedarf es weiterer drei Jahre und einer erneuten Fesselung ans Krankenbett – nur mit dem Unterschied, dass diesmal Astrid Lindgren selber die Betroffene ist. Auf spiegelglatter Strasse rutscht sie aus und verletzt sich so stark, dass sie einige Wochen das Bett hüten muss. Aus purer Langeweile beginnt sie mit der Niederschrift der Erlebnisse um Pippi Langstrumpf, um das Ergebnis ihrer Tochter zum 10. Geburtstag zu schenken. Doch als sie das Manuskript schließlich fertig in ihren Händen hält, beschließt sie, es spaßeshalber einem Verlag anzubieten. So schickt die Hobbyautorin eine Kopie samt launigem Begleitschreiben an den Verlag Bonniers – und erhält eine glatte Absage.
Aber Lindgren „hatte Blut geleckt“. Sie  versucht sich nun an einem typischen Mädchenbuch mit dem Titel „Britt-Mari erleichtert ihr Herz...“, beteiligt sich noch im selben Jahr an einem Preisausschreiben des Verlags Rabén & Sjögren und gewinnt mit diesem Text den 2. Preis.
Das Buch wird verlegt, ist recht erfolgreich und trägt sicherlich maßgeblich dazu bei, dass Lindgren bei einem neuerlichen Wettbewerb desselben Verlags im Jahr 1945 für ihre inzwischen überarbeitete und etwas gemäßigtere Pippi Langstrumpf den 1. Preis zuerkannt bekommt. Die entsprechende Buchveröffentlichung wird auf Anhieb ein großer Erfolg und bringt damit eine der erstaunlichsten schriftstellerischen Karrieren aller Zeiten unaufhörlich ins Rollen. So sehr sie sich bis dahin gegen das professionelle Schreiben gesträubt hat, so wenig kann sie nun davon lassen. Ihre Phantasie kennt  kaum Grenzen und da sie zudem ausgesprochen produktiv ist, folgen neben Langstrumpf-Fortsetzungen bald weitere Bücher mit Figuren wie dem Meisterdetektiv Kalle Blomquist, den Kindern aus Bullerbü oder Karlsson vom Dach. Daneben arbeitet sie noch als Lektorin für Rabén & Sjögren und ist dort maßgeblich am erfolgreichen Aufbau der Kinderbuchabteilung beteiligt.
Als ausgesprochen glücklich erweist sich auch ihr Zusammentreffen mit dem deutschen Verleger Friedrich Oetinger. Letzterer, auf der Suche nach vielversprechenden Autoren für seinen 1946 neu gegründeten Verlag, wird während einer Skandinavienreise durch Zufall auf die aufstrebende Schriftstellerin aufmerksam. Und obwohl deren Bücher bereits von fünf anderen deutschen Verlagen abgelehnt wurden und er selber bis dahin vorwiegend wissenschaftliche Schriften publiziert hat, nimmt Oetinger die Schwedin unter Vertrag und legt dadurch mit seiner Mischung aus Flexibilität, Wagemut und Tatendrang Eigenschaften an den Tag, die im Deutschland der Nachkriegsjahre so oft für unternehmerischen Erfolg maßgeblich verantwortlich waren. So auch in diesem Fall:  Oetinger beweist mit seiner risikofreudigen Wahl ein glückliches Händchen und verkauft von der ersten deutschen Pippi-Langstrumpf-Ausgabe innerhalb weniger Monate 3000 Exemplare. Die Reaktionen des Publikums gleichen denen in anderen Ländern: aufgrund der geradezu provokativen Unangepasstheit der Titelheldin gescholten vom Gros der Kritikern und Pädagogen, hingegen gelesen und geliebt von Kindern und jung gebliebenen Erwachsenen. Folglich lassen weitere Auflagen nicht lange auf sich warten auf einem Buchmarkt, der durch die jahrelange Zensur während des Nazi-Regimes ein immenses Nachholbedürfnis insbesondere auch an ausländischer Literatur offenbart. Über die geschäftlichen Interessen hinaus wird Lindgren, Friedrich Oetinger und dessen Frau Heidi eine lebenslange Freundschaft verbinden.

 
1952 muss Astrid Lindgren mit dem Tode ihres Mannes einen persönlichen Schicksalsschlag verkraften und konzentriert sich fortan noch intensiver auf ihre Arbeit. Sie „hat nie wieder geheiratet. Sie blieb allein, aber sie empfand die Witwenschaft nicht als Verlassenheit. Ihr Drang zu schreiben war stärker als jede andere Empfindung“,  beschreibt ihre Biographin und Freundin Gräfin Schönfeldt diese Lebensphase. Lindgren selber klingt desillusioniert: „Ich habe Kinder immer mehr geliebt als Männer. Die große Liebe habe ich nie kennen gelernt, aber ich habe sie auch nie vermisst.  In den nächsten Jahren folgen Bücher wie „Mio, mein Mio“, „Die Kinder aus der Krachmacherstrasse“ und „Madita“. Die Zahl ihrer Anhänger übersteigt mittlerweile auch im Lager der Literaturkritiker bei weitem die ihrer Gegner und nachdem ihr bereits 1946 der Literaturpreis einer schwedischen Zeitung zuerkannt wurde, heimst sie nun auch international eine Auszeichnung nach der anderen ein, unter anderem den Deutschen Jugendbuchpreis für „Mio“, den Internationalen Jugendbuchpreis sowie die Hans-Christian-Andersen-Medaille für „Rasmus und der Landstreicher“. In den Zeittafeln der über sie verfassten Biographien nimmt die Aufzählung der ihr verliehenen Preise und Auszeichnungen den weitaus größten  Raum ein und in Berlin-Spandau wird die erste von mittlerweile etlichen Dutzend Schulen nach Astrid Lindgren benannt.  Phasenweise kann sie sich nicht mehr so intensiv dem Schreiben widmen, wie sie möchte, da die Ehrungen in der Regel zeitaufwendige Pflichten mit sich bringen und sie darüber hinaus nicht nur die meisten Drehbücher zu den Verfilmungen ihrer Bücher selbst konzipiert, sondern auch noch diverse Theaterfassungen ihrer Geschichten verfasst.
Ende der 60er Jahre mehren sich dann wieder die kritischen Stimmen. Wurde Lindgren in den Fünfzigern aufgrund des antiautoritären Gebarens ihrer Heldin Pippi Langstrumpf noch gescholten, vermisst man nun in ihren Texten die zu dieser Zeit unvermeidlichen sozialkritischen Ansätze und wirft ihr vor, den Kindern durch ihre Bücher eine (zu) heile Welt vorzugaukeln. Doch wie immer lässt sie sich von niemandem vereinnahmen, macht das, was sie für richtig hält und nimmt mit ihrer Selbsterkenntnis sämtlichen Kritikern vorab den Wind aus den Segeln. „Das Großstadtelend der Kinder, sozialpolitische Probleme, verschmutzte Umwelt: sie sähe ein, dass andere Schriftsteller diese Themen bearbeiten müssten. Sie aber könne nur sich selbst geben…“.  
1973 stellt sie jedoch ihre literarische Vielseitig- und Unberechenbarkeit erneut nachhaltig unter Beweis. Das mittlerweile 32. Buch der Autorin löst selbst in ihrem Heimatland Schweden, wo sie geradezu als Volksheldin verehrt wird, heftige Kontroversen aus. Unter dem Eindruck des Todes ihres Vaters und dem tödlichen Verkehrsunfall eines ihrer Neffen in den vorangegangenen Jahren schreibt sie mit „Die Brüder Löwenherz“ ein Buch, das etliche Tabus ignoriert, indem es Tod und zudem Selbstmord zu Themen einer Kindergeschichte macht. Wie so oft wird sie durch die überaus positiven Reaktionen der lesenden Kinder  rehabilitiert, das Buch bekommt die mittlerweile üblichen Auszeichnungen und darüber hinaus verleiht die schwedische Universität Linköping Lindgren eine erste Ehrendoktorwürde, der noch weitere folgen werden. Den nächsten Höhepunkt in ihrer Laufbahn bedeutete für sie die Verleihung des „Friedenspreises des Deutschen Buchhandels“ im Jahr 1978, der erstmals in seiner Geschichte an eine Kinderbuchautorin verliehen wurde. In ihrer eindringlichen und viel beachteten Dankesrede „Niemals Gewalt“ adressiert sie einen bewegenden Friedensappell nicht nur an verantwortliche Politiker, sondern ebenso an alle „Normalbürger“: Kinder sehen, hören und lesen täglich von Gewalt und glauben gar, „Gewalt sei ein natürlicher Zustand. Müssen wir ihnen denn nicht wenigstens daheim durch unser Beispiel zeigen, dass es eine andere Art zu leben gibt?“
Überhaupt mischt sich Lindgren immer wieder in das politische Tagesgeschehen ein. Seit jeher eine ebenso rege wie kritische Leserbriefschreiberin, veröffentlicht sie nun in der Zeitung Expressen anlässlich einer drastischen Steuererhöhung der schwedischen Regierung das vor Ironie strotzende Märchen „Pomperipossa in Monismanien“, innerhalb welchem sie dem Finanzminister vorrechnet, dass sie nunmehr 102 Prozent Abgaben zu zahlen habe. Dieser weist ihrer Rechnung zwar Fehler nach und versucht, die Angelegenheit mit einer vermeintlich humorigen Antwort zu beenden, doch die öffentliche Diskussion ist unaufhaltsam in Gang gesetzt und tatsächlich folgt kurz darauf eine unerwartete Steuersenkung. Statt sich jedoch damit zufrieden zu geben, hakt Lindgren öffentlich nach und wundert sich darüber, dass „ein Märchen eine Regierung dazu bringen kann, einen Beschluss zu ändern.“ „Etwas ist faul in unserem Staate Schweden…eine tief greifende Veränderung brauchen wir, und sie müsste bald kommen…“.  In der Tat werden die Sozialdemokraten nach 40 Jahren Regierungsarbeit erstmals nicht wiedergewählt. Lindgrens Einfluss daran ist unbestritten und dokumentiert eindrucksvoll ihre herausragende gesellschaftliche Stellung in ihrem Heimatland. In der Folgezeit engagiert sie sich unter anderem noch gegen die Massentierhaltung und erreicht abermals eine Gesetzesänderung, die ihr medienwirksam zu ihrem 80. Geburtstag „geschenkt“ wird, mit deren Umfang sie sich aber – wie nicht anders zu erwarten - keineswegs zufrieden zeigt.
1986 muss sie den Tod ihres Verlegers und Freundes Friedrich Oetinger und vor allem auch ihres Sohnes verkraften, der nach langer schwerer Krankheit seinen Leiden erliegt. Zwar wird Lindgrens 90. Geburtstag in Schweden noch einmal wie ein Nationalfeiertag inszeniert, doch „Astrid altert so“, bemerkt Heidi Oetinger über die Schriftstellerin, die in den letzten Jahren ihres Lebens zunehmend unter dem Verlust von Hör- und Sehvermögen zu leiden hat und 1999 im Rahmen einer Umfrage zur „Schwedin des Jahrhunderts“ gewählt wird. Nach einer Virusinfektion stirbt Astrid Lindgren am 28. Januar 2002 im Alter von 94 Jahren in ihrer Stockholmer Wohnung, in der sie über 60 Jahre lang lebte.

Viele Geschichten Astrid Lindgrens haben auch etliche Jahrzehnte nach ihrem ersten Erscheinen nichts von ihrer Anziehungskraft einbebüßt. Die weltweit erschienenen Bücher der schwedischen Autorin sind aber nicht nur immer noch lesenswert, sondern erweisen sich darüber hinaus in vielen Fällen als überaus sammelwürdig.       

Wie immer in Jahren, die „runde“ Geburtstage herausragender Persönlichkeiten mit sich bringen, wird ohne Zweifel auch im Verlauf des Jahres 2007 anlässlich der 100. Wiederkehr des Geburtstags der 2002 verstorbenen Schriftstellerin allenthalben von ihrem umfangreichen literarischen Werk und dessen übergroßer Beliebtheit bei Kindern und Erwachsenen rund um den Erdball zu hören und zu lesen sein. Vernachlässigt wird im Rahmen dieser Würdigungen jedoch häufig, dass ebenfalls die diversen Illustratoren ihrer Bücher einen nicht zu unterschätzenden Teil zur immensen Popularität der Lindgrenschen Figuren beigetragen haben, was durch die an dieser Stelle gezeigten Abbildungen verdeutlicht werden möchte. Darüber hinaus kann sich jeder Interessierte heutzutage dank der vielfältigen Möglichkeiten des Internets mit einigen wenigen Mausklicks erschließen, wozu es vor einigen Jahren noch langwieriger Recherchen und aufwendiger Anfragen bedurft hätte. Er kann in Sekundenschnelle eintauchen in die facettenreiche Bücherwelt von Pippi Langstrumpf, Karlsson vom Dach, den Kindern aus Bullerbü oder der Räubertochter Ronja, indem er sich auf einer der diversen Fan-Seiten umsieht (Linkliste: www.wikipedia.de), weltweit die Antiquariats- und Bibliothekskataloge durchforstet oder bei Online-Auktionen als Bieter aktiv wird.
Allein von den Pippi Langstrumpf-Bänden, Lindgrens bekanntesten, meistverkauften und in über 70 Sprachen übersetzten Büchern, existieren schätzungsweise zweihundert unterschiedliche Ausgaben. Insbesondere im anglo-amerikanischen Raum wurden viele davon neu illustriert und auch die Hauptfigur ist von Land zu Land unter verschiedenen Namen bekannt. Aber ob Pippi Calzelunghe in Spanien, Lina Langsokkur auf Island, Fifi Brindacier in Frankreich oder Pippi Thung-Taow Yaow in Thailand: egal, was vorne draufsteht – drin ist nimmer dieselbe: Pippilotta Viktualia Rollgardina Pfefferminz Efraimstochter Langstrumpf, wie sie in Deutschland mit vollständigem Namen heißt: Enfant terrible im wahrsten Sinne des Wortes und daher anfangs skeptisch beäugt von Kritikern und Pädagogen, heiß geliebt jedoch von Kindern und auch Erwachsenen auf der ganzen Welt.
 
Die Bedeutung der Illustratoren offenbart sich schon mit dem ersten „Langstrumpf-Band“. Zwar hatte Lindgren selbst bereits auf dem Originalmanuskript ihrer Phantasie freien Lauf gelassen und eine Pippi Langstrumpf nach eigener Vorstellung skizziert, mit der Gestaltung des Buches wurde jedoch die freischaffenden dänische Künstlerin Ingrid Vang-Nyman beauftragt. Deren fertige Pippi berücksichtigte natürlich die im Buch textlich vorgegebenen Äußerlichkeiten, unterschied sich von der Lindgrenschen Version aber dennoch deutlich. Obwohl das Aussehen der Figur im Laufe der folgenden Jahre vielfach verändert und ihr Erscheinungsbild diverse Male variiert und modernisiert wurde, ist das uns gegenwärtig geläufige Pippi-Langstrumnpf-Bild nichtsdestotrotz in der mittlerweile über sechs Jahrzehnte alten Vang-Nyman-Schöpfung immer noch deutlich wieder erkennbar, sodass die Zeichnerin maßgeblich für das heutige Aussehen der berühmten Villa-Kunterbunt-Bewohnerin verantwortlich scheint. Doch Vang-Nymans Kreationen stießen seinerzeit nicht überall auf positive Resonanz. Ihr eigenwilliger Stil entsprach nicht den damals gängigen Vorstellungen ein Kinderbuch zu illustrieren und war im Jahr 1944 seiner Zeit sicherlich voraus. Auch der Verlag Rabén & Sjögren hätte nach den durchwachsenen Reaktionen sicherlich gerne ein konventionelleres Titelbild in Auftrag gegeben, doch Lindgren gefielen die Zeichnungen und sie bestand, zumindest in den schwedischen Büchern, auf deren Beibehaltung.
Lindgrens deutscher Verleger Friedrich Oetinger konnte mit der Pippi der Originalausgabe ebenfalls wenig anfangen, sie erschien ihm „zu asiatisch.“ Er beauftragte mit der Illustration der deutschen Ausgabe den mit ihm befreundeten und als Graphiker etablierten Walter Scharnweber. Die Gestaltung eines Kinderbuchs war sicherlich nicht Scharnwebers ureigenstes Metier und er selbst mag daher zu jenem Zeitpunkt wohl am wenigsten damit gerechnet haben, dass sich der von ihm konzipierte Titel zu einem der bekanntesten deutschen Buchcover überhaupt entwickeln würde und bis heute Verwendung findet.
Übrigens besitzen die zwischen 1949 und 51 erschienenen ersten deutschen Auflagen der Pippi-Trilogie allesamt braune Leinenrücken und sind aufgrund der verwendeten Papiersorte deutlich dünneren Formats als die späteren gelbrückigen Exemplare. Aber nicht bei allen Büchern aus braunem Leinen handelt es sich um Erstausgaben. Ein maßgebliches Erkennungsmerkmal hierfür ist, dass sich auf den Rückseiten der Bände keine Werbung für bereits erschienene spätere Lindgren-Bücher befindet.
In den 60er Jahren gab es dann bei Oetinger Bestrebungen, Pippi Langstrumpfs Erscheinungsbild behutsam aufzufrischen und so engagierte man für die Illustration einer geplanten Gesamtausgabe den zeichnerischen Autodidakten Rolf Rettich, der bereits mehrfach Kinderbücher ausgestattet und dabei durch seinen frischen, modernen Stil auf sich aufmerksam gemacht hatte. Zwar war Rettich die literarische Vorlage nicht sonderlich sympathisch, doch er nahm die Herausforderung an und prägte damit das deutsche Pippi-Bild entscheidend mit. Bis heute besteht sein Gesamtausgaben-Titelbild in friedlicher Koexistenz mit den Einzelausgaben-Titeln von Scharnweber fort und obwohl sich beider Arbeiten deutlich voneinander unterscheiden, sind sie sich wiederum im Grundcharakter so ähnlich, dass vermutlich viele flüchtig vergleichende Betrachter erst auf den zweiten Blick bemerken dürften, dass hier zwei verschiedene Künstler am Werk waren. Klarer ersichtlich wird die Auffassung Rettichs erst durch die zahlreichen Zeichnungen im Inneren des Buches, bei denen der Illustrator seinem erfrischend frechen Zeichenstil freien Lauf lassen konnte. Auch seine Ehefrau, die Grafikerin Margret Rettich, wurde für Oetinger tätig und gestaltete später unter anderen die deutsche Ausgabe des Lindgren-Bilderbuchs „Ich will auch in die Schule gehen“.
Unüberschaubar ist die Zahl der weltweit erschienen Pippi-Langstrumpf-Bände, zu den bemerkenswertesten zählt jedoch zweifelsfrei eine bei Mladé letá in Bratislava erschienene und vom Karel Teissig (1925-2000) höchst originell gestaltete Ausgabe aus dem Jahr 1968. Teissig wurde bekannt als Plakatkünstler im Sog der „Neuen Welle“ des tschechischen Films zu Anfang der 60er, die beispielsweise Regisseure wie Jiri Menzel oder Milos Forman hervorbrachte. So ist denn das von ihm ausstaffierte „Pippi Dlhá Pancucha“ eher ein Kunst-, denn ein Kinderbuch, wobei das eine aber bekanntlich das andere nicht ausschließt. Als ähnlich sehens- und sammelnswert erweist sich ein 1985 im selben Verlag erschienener und vom 1953 geborenen slowakischen Künstler Peter Klucik illustrierter Band.
Eine vollkommen andere Vorstellung von Lindgrens Figur hatte hingegen der in den Niederlanden ausgesprochen populäre Kinderbuchillustrator Carl Nicolaas Hollander (1934-1995). Seine „Pippi Langkous“ kommt in einem braven, altmodisch verspielten Kleid daher, das so gar nicht geeignet scheint, damit auf Bäumen herumzuklettern oder sich mit einem wilden Stier anzulegen.“
Recht ungewöhnlich liest sich der Lebenslauf von Louis S. Glanzman, Illustrator diverser amerikanischer Lindgren-Bücher. Der 1922 geborene Künstler war, wie so viele seiner Kollegen, Autodidakt und zeichnete in den 40er Jahren noch für eine Zeitschrift der US-Airforce, um danach übergangslos ins Kinderbuchfach zu wechseln. Später gelangte er unter anderem mit Politikerportraits von Kennedy und de Gaulle sowie seiner zeichnerischen Sichtweise der Mondlandung mehrere Male auf die Titelseite des Time-Magazine.
In England erschienen Lindgrens Bücher in den 50ern bei Oxford University Press in London, die ausnahmslos sehenswerten Illustrationen schuf der 1910 geborene Künstler Richard Kennedy. Im Alter von 16 Jahren begann Kennedy eine Lehre bei dem von Virginia Woolf und ihrem Mann Leonard gegründeten Verlag Hogarth Press, bekannt wurde er neben seiner Karriere als Buchillustrator vor allem durch eine Portrait-Serie der Schriftstellerin und Feministin Woolf, seine lesenswerten Lebenserinnerungen schrieb er unter dem Titel „A Boy at Hogarth Press“ nieder. Aufgrund eines gewissen gemeinsamen feministischen Hintergrundes Verknüpfungen zwischen Pippi Langstrumpf und Virginia Woolf herzustellen, wäre an dieser Stelle zwar sehr verlockend, aber sicherlich denn doch zu weit hergeholt…
 
Im Gegensatz zu den auch heute noch immer allgegenwärtigen Pippi-Langstrumpf Bänden ist Lindgrens Kati-Trilogie mittlerweile nahezu in Vergessenheit geraten. Diese „Mädchenbücher“ erzählen in drei Fortsetzungen die Geschichte der Sekretärin Kati, die, gerade volljährig geworden, nun auch einmal etwas von der Welt sehen möchte. Erkundet sie im ersten Band „Kati in Amerika“ noch mit ihrer Tante als Aufpasserin das „Land jenseits des großen Teichs“, fährt sie im zweiten mit einer Freundin nach Italien. Dort lernt sie ihren „Zukünftigen“ kennen, mit dem sie schließlich in „Kati in Paris“ die „Stadt der Liebe“ besucht. Galten die Geschichten bei ihrem Erscheinen noch als „spannend, erfrischend unkonventionell und zeitlos-modern“, haben sie mittlerweile doch einigen Staub angesetzt. Gerade deshalb aber sind sie auch eine Fundgrube für Fans der 50er Jahre und geben auf einer erzählerischen Reise in die Vergangenheit Auskunft über die alltäglichen Befindlichkeiten dieser Zeit. Passend dazu hat die 1918 geborene und im Künstlerdorf Worpswede beheimatete Malerin Eva Kausche-Kongsbak die Schutzumschläge der deutschen Erstausgaben ausgeführt, sodass die Kati-Bände ein insgesamt stimmiges und aus dieser Sicht auch durchaus sammelnswertes Zeitzeugnis darstellen. Gleiches lässt sich ebenfalls über die einige Jahre später von der Büchergilde Gutenberg herausgegebenen Bände dieser Reihe sagen, für deren Einband- und Innenillustrationen Werner Labbé verantwortlich zeichnete. Der 1909 am Niederrhein geborene und 1989 verstorbene Labbé brachte es als Plakatkünstler zu internationaler Bekanntheit und entwarf darüber hinaus auch Umschläge für Heinrich Böll und Spoerls Feuerzangenbowle. Gehören Labbés Bücher samt intakter Schutzumschläge bereits zu den Raritäten, sind die Mitte der 60er von Helma Baison in ein moderneres Umschlaggewand gehüllten Neuauflagen von Oetinger noch recht häufig zu finden. Als Umschlaggestalterin der schwedischen Originalausgaben wird in den Büchern Gobi aufgeführt: ein Pseudonym für die Illustratorin Margit Uppenberg.
Ganz anders als in diesen „Romanen für junge Mädchen“ geht es in den Kinderkrimis um Kalle Blomquist richtig zur Sache. Die Beschäftigung als Sekretärin bei einem Kriminologen Ende der 30er Jahre hinterließ bei Lindgren offensichtlich ein Faible für Kriminalromane, immer wieder tauchen Elemente daraus in ihren Büchern auf. Doch während sie den Halunken sonst immer nur kurze Gastspiele einräumt, wie z.B. Donner-Karlsson und Blom in Pippi Langstrumpf, handelt es sich bei der Blomquist-Trilogie um komplette, spannende und überwiegend logisch aufgebaute Handlungsstränge über die jeweils gesamte Buchlänge. Sehr zum Erfolg dieser Serie beigetragen hat auch eine Bearbeitung als Hörspiel, die so populär war, dass sie zu Beginn der 50er Jahre für Gesprächsstoff auf den Schulhöfen sorgte und dadurch den Buchverkauf gehörig ankurbelte. Zu den gelungensten Ausgaben gehören sicherlich die der Büchergilde Gutenberg, bei der man die Blomquist Bände in eigener Ausstattung herausbrachte. Gestaltet wurden sie von Gerhard Oberländer (1905 – 1995), der sich wie viele andere Buchillustratoren seine fachlichen Grundlagen vor Beginn der Künstlerkarriere als Gebrauchsgraphiker erarbeitete. Der Clou seiner Titelbilder besteht darin, dass sie über den Buchrücken hinaus auf der Rückseite ihre Fortsetzung finden.
Bemerkenswert auch der Hintergrund zum von Kerstin Thorwall-Falk illustrierten dritten Blomquist- Band der bei Rabén & Sjögren 1953 erschienenen Originalausgabe. Die 1925 geborene Modezeichnerin debütierte 1959 unter dem vereinfachten Namen Kerstin Thorvall selbst als Autorin , zählt seitdem zu den bekanntesten schwedischen Schriftstellerinnen und, so schließt sich der Kreis, erhielt 1977 für ihr literarisches Werk den Astrid-Lindgren-Preis.
Da der Name Kalle Blomquist den Amerikanern wohl zu schwer über die Lippen ging, wurde er in den USA kurzerhand in Bill Bergson umbenannt. Während für den Umschlag des ersten, bei Viking Press in New York veröffentlichten Bandes, wiederum der bereits erwähnte Louis S. Glanzman zuständig war, gestaltete Don Freeman (1908-1978) die beiden anderen. Obwohl Freemans Waise war und sein Leben damit alles andere als viel versprechend begann, wurde sein Talent bereits früh entdeckt und entsprechend gefördert. Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen besuchte er eine Kunsthochschule und erarbeitete sich die entsprechenden Abschlüsse. Große Beachtung erzielte er durch eine Serie von über einhundert Zeichnungen, die das alltägliche New Yorker Leben thematisierten. Seinen offensichtlich großen Bekanntheitsgrad belegt der seltene Umstand, dass zwecks Verkaufsförderung sein Name neben dem Astrid Lindgrens deutlich sichtbar auf dem Buchcover zu finden ist.
 
Um eine der sicherlich skurrilsten Figuren aus Lindgrenscher Feder handelt es sich bei Karlsson vom Dach, nach dessen Selbstauskunft ein „schöner und grundgescheiter und gerade richtig dicker Mann in meinen besten Jahren“. Und auf Nachfrage erläutert Karlsson auch bereitwillig, welches denn seine besten Jahre sind: „Alle!“ Das Besondere an Karlsson ist, dass er mit Hilfe eines auf seinem Rücken befindlichen Propellers, den er per Schalter in seinem Bauchnabel startet, fliegen kann. Überaus bekannt ist mittlerweile auch seine Standarterwiderung, wenn er mal wieder Unfug getrieben hat und sich mit entsprechenden Vorhaltungen konfrontiert sieht: „Das stört keinen großen Geist“. Erstmals ins Bild gesetzt wurde Karlsson durch die 1930 in Estland geborene Ilon Wikland, die wohl bekannteste Lindgren-Illustratorin überhaupt. „Astrid war der Traum eines Zeichners. Wir arbeiteten 40 Jahre zusammen. Phantastisch! Sie gab mir viel Freiheit und glaubte fest an mich.“ Die Wertschätzung beruhte durchaus auf Gegenseitigkeit, denn Wiklands künstlerische Auffassung harmonierte mit der von Lindgren, sodass zwischen beiden Frauen ein intensiver Austausch von Ideen und somit eine ausgesprochen produktive Zusammenarbeit in freundschaftlicher Atmosphäre möglich war. Von allen Künstlern illustrierte sie insgesamt die meisten Bücher, ihre Kinderfiguren mit roten Wangen, Stupsnasen und den übergroßen Hinterköpfen sind vielleicht die Kindgerechtesten. Auf jeden Fall aber sind Wiklands vertraute Titelbilder bestens geeignet, nostalgische Gefühle zu wecken und sich an die Leseabenteuer der eigenen Kindheit zurückzuerinnern.
In der DDR konnten die Bücher Lindgrens lange Zeit nicht legal erworben werden, Charaktere wie Pippi Langstrumpf waren offensichtlich mit der offiziellen SED-Ideologie nicht zu vereinbaren. Erst 1975 verlegte der Kinderbuchverlag eine Pippi-Ausgabe, in der es im Gegensatz zum Original „politisch korrekt“ zuging und beispielsweise aus der Kolonie Belgisch-Kongo das mittelamerikanische Nikaragua wurde und aus einem „Negerkönig“ ein ganz normaler „König“. Dies war jedoch durchaus im Sinne Lindgrens: aus heutiger Sicht „sagt Pippi Langstrumpf eine ganze Menge dummes Zeug, das ich besser nicht geschrieben hätte. Außerdem hätte ich ihren Vater nicht mehr zu einem Negerkönig gemacht.“
Während sich das Pippi-Langstrumpf-Cover sichtlich an Rolf Rettichs Version orientiert, erschien vier Jahre zuvor im selben Verlag eine sehr schöne, eigenständige, von Elisabeth Shaw illustrierte Karlsson-Ausgabe. Durch ihre Heirat mit einem deutschen Maler kam die irische Kunststudentin Shaw 1946 nach Berlin, wo sie als freischaffende Graphikerin unter anderem Karikaturen für den Eulenspiegel zeichnete, später verfasste sie Kinderbücher und war in der DDR ausgesprochen populär. „Die Figuren, die Elizabeth Shaw in ihren Kinderbüchern schuf, begleiteten Generationen von Kindern auf dem Weg zum Erwachsenwerden. Nie mit dem pädagogischen Zeigefinder drohend, hat sie, die in einem fremden Land heimisch werden musste, versucht, Werte wie Toleranz, Achtung, Mitgefühl und Verantwortungsbewusstsein zu vermitteln. Darüber hinaus war es ihr wichtig, dass Kinder auch Freude und Spaß an ihren Geschichten haben. „ ... denn Kinder lieben nun einmal Spaß.” (Homepage der Elisabeth-Shaw-Grundschule, Berlin-Pankow).
Karlsson stellt gewissermaßen eine Weiterentwicklung des ebenfalls flugfähigen Herrn Lilienstengel dar, der im Original erstmals 1949 auftaucht und dessen Erlebnisse in Deutschland drei Jahre später unter dem Titel „Im Land der Dämmerung“ innerhalb des Geschichtenbandes „Im Wald sind keine Räuber“ zu lesen sind. 1969 erschien „Herr Lilienstengel“ bei Oetinger als farbenprächtiges und großformatiges Bilderbuch mit Bildern von Hans-Joachim Krantz und zählt heute zu den gesuchten Raritäten.
Auch Horst Lemke, nach dem Tode Walter Triers „Stammillustrator“ von Erich Kästner, reihte sich in die illustre Schar der Lindgren-Zeichner ein. Er kreierte die Titelbilder für „Rasmus, Pontus und der Schwertschlucker“ sowie für „Rasmus und der Vagabund“, letztgenanntes sogar in zwei verschiedenen Versionen jeweils für Oetinger und für Bertelsmann 
Recht antiquiert wirkt heutzutage eine Buchreihe unter dem Titel „Kinder dieser Welt“, die aus einer langjährigen freundschaftlichen Zusammenarbeit Lindgrens mit der Fotografin Anna Riwkin-Brick heraus entstand. Riwkin-Brick fotografierte den ganz normalen Alltag von Kindern aus verschiedenen Ländern der Erde, um dem Betrachter deren Lebensweise näherzubringen und Lindgren schrieb erläuternde Texte dazu. Einige der dafür notwendigen Reisen unternahmen die beiden Frauen gemeinsam und so entstanden zwischen 1956 und 1969 insgesamt zehn einfühlsame Bände mit Titeln wie „Sia wohnt am Kilimandscharo“ oder „Matti aus Finnland.“ Heute geben sie Einblick in eine längst vergangene Zeit, in der beispielsweise „Japi aus Holland“ noch in Holzschuhen durchs Kinderleben geht. So veraltet diese Bücher bezüglich ihres Inhalts und der schlichten Einbandgestaltung auch für den heutigen Leser scheinen mögen, so interessant sind sie hingegen aus der Perspektive des Sammelns. Sie gehören zu den ganz wenigen Büchern Lindgrens, die mittlerweile nicht mehr aufgelegt werden und trotz seinerzeit recht ansprechender Verkaufszahlen ausgesprochen schwer zu finden sind.
Mindestens genau so rar, aber dagegen immer noch sehr schön anzuschauen, sind drei zwischen 1947 und 1954 erschienene Bilderbücher, die von Birgitta Nordenskjöld ausgestattet wurden und leider in dieser Form niemals in Deutschland veröffentlicht wurden. Dass in diesem Fall einmal nicht die Autorin die richtungsweisende Kraft war, sondern die als Zeichenlehrerin arbeitende Nordenskjöld, belegt die Vorgehensweise bei der Entstehung dieser Bücher: erst nachdem die Bilder fertig waren, schrieb Lindgren die Texte dazu.
Noch ein Kuriosum: Die Mitarbeit Lindgrens am Bilderbuch „Die Kinder im Dschungel“ von Leif Krantz und Ulf Löfgren war lediglich redaktioneller Art, ihr Name wurde in der Originalausgabe nicht einmal genannt. Für die deutsche Ausgabe hatte sie den Text jedoch so stark bearbeitet, dass ihr Name „in Absprache mit den Autoren“ an erster Stelle genannt wurde (Quelle: „Das Astrid Lindgren Lexikon“, allumfassendes Nachschlagewerk von Bialek/Weyershausen).
Zu Lindgrens in Deutschland bekanntesten Figuren gehört sicherlich Michel, der im Original Emil heißt und kurzerhand umgetauft wurde, da dieser Name durch Erich Kästners Emil und die Detektive auf alle Ewigkeit belegt schien. Sehr selten zu finden sind die beiden ersten, von Rolf Rettich illustrierten Oetinger-Ausgaben dieser Reihe im Querformat. Da sich die Buchhändler über die ungewöhnliche Größe beschwerten, beließ man es bei nur einer Auflage in dieser ungewohnten Form und passte alle weiteren der gängigen Norm an. Sehr zur Popularität von „Michel aus Lönneberga“ trug auch die gleichnamige Fernsehserie bei.
 
Leider kann in diese Rahmen nicht auf das gesamte literarische Schaffen von Astrid Lindgren eingegangen werden. Die vorgenommene Auswahl stellt daher keine Wertung dar, sondern ist lediglich durch die platzbedingten Gegebenheiten begründet.
Bücher von Astrid Lindgren sind auf jeden Fall ein dankbares Sammelgebiet. Aufgrund der weltweiten Verbreitung ihrer Werke gibt es immer wieder neue „Schätze“ in Form zuvor noch nicht gesehener Ausgaben zu entdecken. Die Preise, vor allem bei Internetauktionen, halten sich in erträglichen Grenzen, wenn man nicht nur auf die jeweiligen Erstausgaben fixiert ist, sondern sich, wie an dieser Stelle überwiegend geschehen, auch mit späteren Auflagen begnügt, die den Aufmachungen der Erstausgaben weitestgehend entsprechen. Nicht vernachlässigt werden dürfen jedoch die relativ hohen Portogebühren bei Büchern, die von Verkäufern aus den USA, Australien oder anderen „fernen“ Ländern angeboten werden. Aber auch innerhalb Europas sollte man Acht geben: sind die Kosten für eine Buchsendung aus England beispielsweise recht niedrig, erweisen sie sich dagegen bei einem Versand aus Schweden als unerwartet hoch. Wenn man sich jedoch grundsätzlich vorher darüber informiert, steht dem Sammelspaß nichts mehr im Wege.